Warum jetzt? Drei treibende Schlüsselfaktoren

Der globale Sensormarkt wächst mit einem erwarteten jährlichen Zuwachs von 9 % rasant (vgl. Sensor Market Size, Share & Analysis | Growth Report [2032]). Von der Automobilindustrie über das digitale Gesundheitswesen bis hin zur industriellen Automatisierung – Sensoren werden überall genutzt, um eine Überwachung und Smart Control in Echtzeit zu ermöglichen. Gleichzeitig verzeichnen auch Sektoren wie Point-of-Care-Diagnostik (PoC) und Smart Packaging ein nie dagewesenes Wachstum. Diese Anwendungen nutzen oft kostengünstige Einwegsensoren, die direkt in Produkte oder Verpackungsmaterial integriert werden. Weiters stellt Elektroschrott schon jetzt den global am schnellsten wachsenden Abfallstrom dar; allerdings werden gedruckte Sensoren, die in unkonventionelle Produkte integriert sind, häufig nicht über den Elektronikabfall entsorgt. Stattdessen landen sie im gängigen Haushaltsmüll, was zu einem stillen Verlust wertvoller Materialien und einer verpassten Gelegenheit der Rückgewinnung von Ressourcen führt.


Was passiert, wenn Sensoren sich dem Ende ihrer Lebenszeit nähern?

Gedruckte Sensoren bestehen für gewöhnlich aus hybriden Materialsystemen, in denen Elemente wie Polymersubstrate, funktionelle Tinten und häufig ein Halbleiterchip für die drahtlose Kommunikation bzw. Datenverarbeitung kombiniert werden. Während diese Technologien immer häufiger in Alltagsanwendungen eingesetzt werden, stellt sich die Frage: Was passiert am Ende ihrer kurzen Lebenszeit?

Ablagerung in Mülldeponien: Biologisch abbaubare Komponenten wie bestimmte Substratmaterialien zersetzen sich zwar im Laufe der Zeit, dabei werden aber Methan (CH₄), Dickstoffmonoxid (N₂O) und Kohlenstoffdioxid (CO₂) freigesetzt, die alle zum Klimawandel beitragen. Noch bedenklicher sind allerdings nicht-abbaubare Komponenten wie Metallelektroden und Mikrochips, da diese für Generationen in der Umwelt zurückbleiben.

Verbrennung (mit Energierückgewinnung): Während aus der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Bestandteilen eine geringe Menge an Energie zurückgewonnen werden kann, sind nicht brennbare Stoffe wie Silber und Kupfer zu klein, um aus der Rostasche extrahiert zu werden. Diese wertvollen, strategischen Metalle gehen dann in Mülldeponien oder durch das Downcycling zu Baumaterialien verloren.

Recycling: In der Theorie ist Recycling der erstrebenswerteste Weg, in der Praxis ist er jedoch selten realisierbar. Die Mischung der Materialien, die Verwendung von Verkapselungen und die eingebetteten Chips erschweren die Trennung und Rückgewinnung der Bestandteile. Derzeit gibt es keine standardisierte Recycling-Infrastruktur für diese kleinen, integrierten Geräte.


Die Brücke zwischen Innovation und Abfall

In einer kürzlich von Johanna Zikulnig, Jürgen Kosel (beide SAL) und Sandro Carrara (EPFL) in "Scientific Reports" veröffentlichten Studie nutzte das Team die Methode des „Life Cycle Assessment“ (LCA), um die Umweltbilanz von gedruckten Sensoren zu analysieren. Entgegen den Erwartungen stellte sich heraus, dass Substrate, die gewichtmäßig oft den größten Anteil der Komponenten ausmachen, relativ wenig zur gesamten Umweltbilanz beitragen. Stattdessen sind es funktionale Materialien wie Tinten auf Basis von Nanopartikeln oder eingebettete Halbleiterchips, die die Umwelt vermehrt belasten. Das stellt die intuitive Annahme in Frage, dass Masse gleich Last ist („Bulk equals burden“) und unterstreicht die Notwendigkeit einer Bewertung auf Systemebene bei der nachhaltigen Gestaltung.

Vielmehr gibt es einen toten Winkel, der das Problem erschwert: Gedruckte Sensoren, die in Einwegprodukte integriert sind, werden oft gemeinsam mit gängigem Haushaltsmüll entsorgt und können so weder als Elektroschrott identifiziert noch für die Materialrückgewinnung berücksichtigt werden. Dies führt zu einem Verlust von wertvollen, funktionalen Materialien – die oft knapp und energieintensiv in der Produktion sind oder von der EU als strategische bzw. kritische Materialien eingestuft werden.


Umdenken beim Design: Verantwortung statt Einweg

Diese Herausforderungen zeigen gleichzeitig eine einzigartige Stärke von gedruckter Elektronik auf: die Möglichkeit, mit neuartigen oder unkonventionellen Materialien zu arbeiten. Das führt wiederum dazu, dass die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen reduziert werden kann, was eine strategische globale Priorität darstellt. Aufkommende Sensordesigns enthalten immer öfter bio-basierte Polymere, kohlenstoffreiche Tinten und funktionale Materialien aus erneuerbaren Quellen. Diese Innovationen reduzieren nicht nur die Umweltbelastung, sondern sie diversifizieren auch Materialquellen und schützen die Branche so vor möglichen künftigen Versorgungsengpässen oder geopolitischen Risiken.

Infolgedessen präsentiert sich Nachhaltigkeit auch als Geschäftsmöglichkeit: Wenn Systeme mit neuartigen, sicheren und recycelbaren Materialien entworfen werden, können Firmen größere Kontrolle über ihre Lieferketten erlangen und sind weniger Materialschwankungen ausgesetzt. Langfristig kann ein solcher Ansatz zu industriespezifischen Ökosystemen mit geschlossenem Kreislauf führen, in denen Materialien bewusst nicht nur für ihre Funktionalität, sondern auch für ihre Wiederherstellbarkeit, den sicheren Zerfall oder die Möglichkeit der Wiederintegration in neue Produktionszyklen ausgewählt werden.

Um diese Vision möglich zu machen, müssen Überlegungen zum „End of Life“ von Beginn an Teil des Innovationsprozesses sein. Ohne diese Überlegungen wird das volle Potential von gedruckter Elektronik als Ermöglicher einer nachhaltigen und resilienten Zukunft in Bezug auf Ressourcen nie ausgeschöpft werden. Bei Silicon Austria Labs sehen wir Nachhaltigkeit nicht als Hindernis sondern als Chance – und wir werden weiterhin umweltbewusste Sensordesigns entwerfen, die mehr Transparenz für Materialien und Recyclingmöglichkeiten mit sich bringen und auf die Zusammenarbeit mit Partnern setzen, um „End of Life“-Zugänge zu definieren. Die Zukunft von Elektronik ist nicht nur smart. Sie muss nachhaltig sein. 


“A life cycle assessment approach to minimize environmental impact for sustainable printed sensors” von Zikulnig, J., Carrara, S., & Kosel, J. (2025) in Scientific Reports, 15 (1).

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